Gewerkschaft zwischen Revolution und Reaktion

Das 3. Kapitel der Geschichte der Oberhausener IG Metall ist online.

Schreiben ist Abenteuer, auch das Schreiben über Geschichte. Die Schwierigkeiten, in die ich mit der Geschichte der IG Metall und ihrer Vorläufer-Organisationen gerate, habe ich nicht geahnt, als ich vor ein paar Jahren neben dem Hauptberuf mit dieser Arbeit begonnen habe. Probleme bereitet zum einen der Umfang. Bis 1929 habe ich es nicht nur mit drei Städten zu tun, nämlich Alt-Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld, die sich erst 1929 zu einer Großstadt zusammenschließen. Es gilt auch, bis 1945 die Spuren von Deutschem Metallarbeiterverband (DMV), Christlichem Metallarbeiterverband (CMV) und Hirsch-Dunckerschem Gewerkverein, den drei Ursprungs-Gewerkschaften der IG Metall, zu verfolgen. Zum anderen hat sich im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv ein Fundus an Quellenmaterial der Oberhausener Gutehoffnungshütte aufgetan, der mich hinsichtlich Umfang und Ergiebigkeit für mein Thema überrascht hat. Auch die zeitgenössische Lokalpresse bietet zahlreiche Hinweise und Informationen, die allerdings wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen in den voluminösen, im Stadtarchiv aufbewahrten Bänden versteckt sind. Wer mich also bei einem vergleichbaren Thema fragen würde, ob er eine solche Arbeit auf sich nehmen soll, dem würde ich rundheraus abraten. Es sei denn, er ist im Ruhestand und weiß sonst mit seiner Zeit nichts anzufangen.

Das größte Problem besteht allerdings vielleicht nicht im schieren Umfang des Arbeitsaufwands, sondern darin, die lokale Gewerkschaftsgeschichte mit der Stadtgeschichte und dem allgemeinen geschichtlichen Kontext zu verknüpfen. Für die Jahre 1918 bis 1920 musste ich mir erst einmal aus den Quellen einen Überblick über die Rätebewegung in Oberhausen erarbeiten. Was an Literatur bisher veröffentlicht wurde, bleibt mir zu sehr an der Oberfläche der Ereignisse, was sicherlich aber auch dem Zweck und Schwerpunkt der jeweiligen Publikation geschuldet ist. Ich wollte tiefer bohren. Auch wollte ich, etwa beim Thema Rote Ruhrarmee, jede „linke Folklore“ vermeiden. Nicht, weil ich die Ziele und Motive der Linken in der Revolution nicht nachvollziehen könnte. Sondern, weil für jemand meiner politischen Verortung es viel interessanter und wichtiger ist, über den Anteil der Fehler der Linken am Scheitern der Revolution nachzudenken, als darüber zu lamentieren, dass die damalige Mehrheitssozialdemokratie die historischen Ziele der Arbeiterbewegung zu Gunsten der Zusammenarbeit mit Kapital und Militär aufgegeben hat.

Bei all dem bleibt die lokale Gewerkschaftsgeschichte der Mittelpunkt der Arbeit, wie es dem Auftrag entspricht, den ich vor ein paar Jahren gerne, aber in Unkenntnis dessen, was ich mir da vornehme, angenommen habe. Mancher Befund hat mich überrascht. Zum Beispiel, dass nicht nur der CMV, sondern auch der DMV in den drei Oberhausener Ursprungsgemeinden in der Revolution Ordnungsfaktor war. In Oberhausen war der DMV mehrheitssozialdemokratisch geführt und hatte bis Anfang Januar 1919 und dann wieder ab Ende April 1919 auch die Führung im Arbeiterrat. Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, das war auch die Maxime der MSPD als Gesamtpartei unter Ebert, die sie in Zusammenarbeit mit der Schwerindustrie und dem eben noch kaiserlichen Militär umsetzte. Aber auch die „linke Periode“ des Oberhausener Arbeiterrates von Anfang Januar bis Ende April war nicht durch revolutionäre Akte des Arbeiterrates geprägt, wenn auch eine hysterische bürgerliche Lokalpresse in diesem Sinne hetzte. Die Wahlen zur von der Linken doch eigentlich bekämpften Nationalversammlung gingen ohne Störungen über die Bühne und auch sonst kam es nicht zu nennenswerten Übergriffe, die der Linken, also Anhängern der USPD, ab Januar 1919 auch der KPD, oder syndikalistischen Kräften zugeordnet werden könnten.

Es wäre sehr interessant, der Rätebewegung nicht nur in Oberhausen und in der Region Ruhrgebiet tiefer nachzuspüren. In letzter Zeit ist vermehrt darüber publiziert worden. Ob die Veröffentlichungen das leisten, was mir vorschwebt, kann ich noch nicht beurteilen, hatte noch nicht die Zeit, sie zu lesen. Wenn sie mich nicht überzeugen, mache ich mich vielleicht noch mal an dieses Thema. Vorausgesetzt, ich weiß in ein paar Jahren immer noch nicht, was ich Besseres mit meiner Zeit anfangen soll.

Für jetzt möchte ich alle interessierten Kolleginnen und Kollegen zur kritischen Lektüre einladen. Kapitel drei und die beiden vorangegangenen Kapitel findet Ihr unter

https://igmetall-meo.de/aktuell/a/2506-Kapitel-3-der-Geschichte-der-Oberhausener-IG-Metall-von-1918-bis-1920.html

Dazu gibt es eine Liste mit Erklärungen der Abkürzungen und wichtigsten Begriffe sowie eine Liste der im Text erwähnten Personen. Beide Listen werden mit dem weiteren Arbeitsfortschritt ergänzt.

Über Rückmeldungen würde ich mich freuen.


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