Das Jahr ist nicht mehr ganz frisch, der erste Monat schon um. Bin bereits im Rückstand, was meine Pläne angeht. Hatte mir schon für das letzte Jahr vorgenommen: Regelmäßige Lektüreberichte. Hätte schreiben können über: Arundhati Roy, Das Ministerium des Glücks. Für herausragende sprachliche Qualität hochgelobt. Ich konnte sie nicht entdecken, habe mich durch die ziemlich undurchsichtige Geschichte eher hindurchgequält. Immerhin erfährt man viel über das Pulverfass Indien. Und wenn das Honorar fürs Buch A. Roy bei der Finanzierung ihrer politischen Aktivitäten hilft, soll es mir recht sein.
Besprechen können hätte ich auch: Franzobel, Das Floß der Medusa. Eine hochdramatische Geschichte von Anfang des 19. Jahrhunderts, die der Autor immer wieder mit Modernismen und Slapstick stört. Thema verschenkt. Andrei Platonow, Die Baugrube – das hätte sich gelohnt. Eine finstere Parabel auf die frühe Stalinzeit in der Sowjetunion. Ein Problem, das mich seit langem beschäftigt: Wie konnten die Hoffnungen, die viele Millionen weltweit in die russische Revolution setzten, so brutal enttäuscht werden? Wieso konnte der Stalinismus siegen?
Sehr zu empfehlen: Danilo Kiss. Ich bin sicher, obwohl ich noch nicht viel von ihm gelesen habe. Unbedingt empfehlenswert auch für alle, die eine Strecke von fast 1.300 Seiten nicht scheuen und sich für die Verstrickungen von Individuum und Geschichte interessieren: Peter Nádas, Aufleuchtende Details. Dazu später vielleicht mehr (doch sollte ich besser nichts versprechen).
Was mir zwischendurch in den Sinn kam und dann im Alltagsgetriebe unterging: Ein Lob des Radios, ein wunderbares Medium. Mein Lieblingssender ist der Deutschlandfunk, die Lieblingssendung die Lange Nacht. Drei Stunden Literatur, Feature, Reportage freitags (Wiederholung am Samstag) vor Null Uhr und in den sehr frühen Morgenstunden. Dank Podcast oder DLF-Radiorecorder geht‘s trotzdem nicht auf Kosten des Schlafs. Den Troglodyten ist es sowieso egal. Im Moment sehr zu empfehlen: Vater Goriot, ein Hörspiel nach Honoré de Balzac. Auf Deutschlandradio Kultur.
Auch über das Lesen und Schreiben von Gedichten hätte ich mich gerne mitgeteilt. Eine literarische Gattung, die mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist und in der ich mich verlieren könnte.
Überhaupt nicht schaffe ich, zu notieren, was mir bei diversen politischen Ereignissen auf- und einfällt. Nur in Ausnahmefällen gelingt mal eine Wortmeldung. Das wird leider so bleiben. Am liebsten würde ich aus dem Hintergrund heraus die Aktualität beleuchten, z. B.: Wo liegen die Wurzeln der Krise der SPD, wo geht’s lang zu einer Renaissance der Arbeiterbewegung (die ich für notwendig halte)? Oder: Wo liegen die Ursachen der Flucht von weltweit Millionen, was haben wir damit zu tun und was können wir gegen die Spaltung von Einheimischen und Flüchtlingen tun? Aber ach, die Zeit, sie fehlt.
Berichtet hätte ich auch gern über meine beiden aktuellen Schreibarbeiten: Die eine betrifft die Geschichte meiner Gewerkschaft in der Stadt, in der ich lebe. Die andere trägt mittlerweile den Arbeitstitel: Woher wir kommen. Einige aus der geschätzten Leserschaft kennen Auszüge des ersten Entwurfs.
So wird es an dieser Stelle höchstwahrscheinlich weitergehen: Mit Bruchstücken, Ansätzen, Versuchen. Mit Fragmenten, Trümmern, Flickwerk. Vielleicht hat die überschaubare Leserschar dennoch etwas davon.